Von Prof. Dr.-Ing. Klaus Selle
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Ein banaler Satz ist das, aber man vergisst ihn zu oft: »Wer nicht weiß woher er kommt, kann auch nicht sagen, wo es weiter geht« …
Er hat allgemein Gültigkeit, ist aber für den wohnbund gleich im doppelten Sinne von Bedeutung – hat der wohnbund doch schon eine fast 35-jährige Geschichte, auf die es zurück zu blicken lohnt, wenn man nach Orientierungen für zukünftiges Handeln fragt. Vor allem aber entstand er selbst durch Rückbesinnung. Denn die Entwicklung der Genossenschaften und wohnungspolitischen Alternativen im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert war ohne die »Propagandavereine« und unterstützenden »befreundeten Organisationen« nicht zu verstehen. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass die gemeinnützige Wohnungswirtschaft als wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Innovationsfaktor entstehen konnte. Darauf hat seinerzeit Klaus Novy – einer der wesentlichen Initiatoren der wohnbund-Gründung – mit seinen vielfältigen Arbeit zur Geschichte der Gemeinwirtschaft und insbesondere zur Genossenschaftsbewegung im Wohnbereich immer wieder hingewiesen. Er hat damit auch Mut gemacht, als Anfang der 80er-Jahre die Idee zur wohnbund-Gründung entstand und immer wieder – zögernd – gefragt wurde: Was kann so ein kleiner Verein schon ausrichten?
Damals
Es waren bewegte Zeiten, in denen der wohnbund entstand: Hausbesetzungen, Widerstand gegen Flächensanierungen, aufblühende Selbsthilfebewegungen, zugespitzte Konflikte, die zum Teil auf der Straße ausgetragen wurden. Das fand auch seinen Widerhall in professionellen Umfeldern – an Hochschulen und in Vereinigungen wie etwa dem Werkbund, der seinerzeit sehr offen war für Impulse aus der Gesellschaft und sie z. B. in Veranstaltungen und Publikationen aufgriff. Und so war es dann auch kein Zufall, dass – vermittelt über Personen wie Joachim Brech – unter dem Dach des Werkbundes der wohnbund entstand. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: Denn in den Darmstädter Räumen des Werkbundes wurde 1983 das »Erste Positionspapier des wohnbunds, des Vereins zur Förderung wohnungspolitischer Initiativen« von einer kleinen Gruppe verfasst und auf einem Werkbund-Kongress im gleichen Jahr öffentlich gemacht.
Ein kurzer Auszug aus diesem Manifest verdeutlicht, welche Vorstellungen damals mit dem wohnbund als Förderverein und »Netzwerk der Köpfe« verbunden waren: »Damit wohnpolitische Alternativen stärker zur Verwirklichung gelangen, bedarf es auch des systematischen und kontinuierlichen Zusammenwirkens von Personen der verschiedenen Kompetenzen und Betroffenheit: der (zukünftigen) Bewohner, der Architekten, Ökonomen, Juristen, Verwaltungsangehörigen. […] Aus der Not des einzelnen Falles heraus, unter akutem Handlungsdruck, lassen sich Beratungskapazität und Verbindung der Fachleute untereinander selten in ausreichendem Maße herstellen […]. So scheitern die einen Initiativen und andere, erfolgreichere bleiben auf ihre >Einmaligkeit< beschränkt: Die Bedingungen für Scheitern und Erfolg werden kaum reflektiert und weitervermittelt. Hoffnungen und Energien werden vergebens mobilisiert: Im Falle des Scheiterns bleibt nichts Positives übrig. Die Geschichte des Scheiterns kann so selbst zum Argument und Hindernis gegenüber weiteren Bemühungen werden. Durch die Organisation aller Interessierten – Bewohner wie Fachkräfte – und die Entwicklung und Propagierung von möglichst konkreten Projektkonzepten, kann es gelingen, das lähmende Vorwegnehmen des Scheiterns an der Vielfalt der Einzelprobleme, der Langwierigkeit und den finanziellen Belastungen zu überwinden. Kontinuität, durch Bündelung verstärkter politische Druck und professionelle Vorbereitung können dieses Handlungsdilemma vereinzelter lokaler Initiativen aufbrechen. Für die Einzelgruppe ist das praktische Problem häufig unlösbar. Aus dieser Erfahrung ergibt sich die Suche nach einer Organisationsform, die die verschiedensten >Betroffenen< zur kontinuierlichen Aufbauarbeit zusammenbringt. Dies war historisch nicht anders«.
Wer den Text als Ganzen liest, erkennt darüber hinaus, dass dieses Netzwerk der Fachleute und Initiativen Teil einer breiten Bewegung sein sollte, die er befördern und von der er zugleich getragen werden sollte: Es ging um nichts weniger als den Auf- und Ausbau eines »kulturell attraktiven gebundenen Wohnungssektors«.
Seither
Wir alle wissen: Es kam anders. Die seinerzeit erhoffte breite Bewegung, der man zugleich Speerspitze wie Stütze hätte sein können, blieb aus. Schlimmer noch: Aufkündigung der Wohnungsgemeinnützigkeit, Liberalisierung der Wohnungsmärkte und hernach massenhafter Ausverkauf großer Wohnungsbestände schufen seit den späten 80er Jahren eine völlig neue Ausgangssituation, die die Wohnungspolitik zugleich »entpolitisierte« und ihrer Instrumente beraubte.
Umso erstaunlicher ist, dass der wohnbund diese radikale Veränderung seines Umfeldes überstand. Über Jahre blieb die Mitgliederzahl konstant. Mehr noch: Es entstanden »Ausgründungen« (wie etwa wohnbund-Beratung NRW und viele Organisationen mehr, über die und von denen in diesem Heft berichtet wird), die sich eben jener Unterstützungstätigkeit annahmen, von denen im Gründungsmanifest die Rede war.
Das zeigt auch: Die wohnungspolitische Bühne war nicht gänzlich leer gefegt. Es gab immer noch und immer wieder Initiativen unterschiedlicher Art, die nach Wegen zu anderen Wohnformen suchten. Nachbarschaftliches, gemeinschaftliches Wohnen blieb – in bestimmten Milieus und Kontexten – ein Thema. Und in dem Maße wie sich auch die Wohnungsmärkte insgesamt in viele, sehr unterschiedliche Teilmärkte ausdifferenzierten, entstanden neue Aufgabenfelder, etwa im Schnittbereich zur Stadtentwicklungspolitik (z. B. in den Handlungsfeldern der »Sozialen Stadt«). Womit auch darauf verwiesen ist, dass die wohnbund-Arbeit von Anfang an auch auf soziale und kulturelle Aspekte und den städtischen Kontext des Wohnens ausgerichtet war.
Heute – und demnächst
Seit wenigen Jahren nun hat sich einmal mehr das Bild gewandelt. War vor noch nicht sehr langer Zeit »Schrumpfen« Schreckensbild und Leitthema zugleich ist nun in den meis ten Ballungsräumen Deutschlands ein deutlicher Bevölke rungszuwachs zu verzeichnen und weiter zu erwarten. Das löst erhebliche »Wachstumsschmerzen« aus, denen man vielerorts mit einer »Klotzen-statt-Kleckern«-Strategie zu begegnen versucht. Wohnungspolitische Leistungsfähigkeit wird vor allem in Stückzahlen gemessen. Quantität steht, wie weiland in den 70er Jahren, ganz oben auf der Agenda. Aus wohnbund-Sicht mag man zwar die Wiederentdeckung der Wohnungspolitik begrüßen- aber ihre Wiederkehr als rein quantitative Aufgabe bedarf doch deutlicher Kritik. Daher wäre zu wünschen, dass der wohnbund – in Erinnerung an seine Herkunft – auch wieder programmatisch deutlicher zu hören ist und zur Differenzierung von Positionen beiträgt, die derzeit in nur sehr eindimensionaler Form propagiert werden.
Dabei können die vielfältigen Erfahrungen, die die Beratungsorganisationen im wohnbund-Netz mit einem breiten Spektrum konkreter Projekte gewonnen haben, von großer Bedeutung sein.